Wienerisch für Anfänger

Würdet ihr für euren Erasmus-Aufenthalt in Wien akzeptiert? Oder habt ihr euch entschieden, einen Sprachkurs in Wien zu besuchen, um besser Deutsch zu lernen? Nun ja, egal weshalb ihr nach Wien kommt, wenn es darum geht, eure Deutschkenntnisse zu verbessern, dann könntet ihr ein kleines Problem haben. Denn in Wien und in Österreich allgemein spricht man zwar Deutsch als Amtssprache, doch wenn es um den alltäglichen Gebrauch geht, kann es schon mal sein, dass einige Begriffe ganz weit weg vom Deutschen sind.

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Werbeplakat mit dem Wiener Riesenrad (Quelle)

Aber keine Sorge, gerade in Wien sprechen die meisten Leute perfekt (oder fast) Hochdeutsch, vor allem die jungen. Ihr werdet problemlos kommunizieren können, wenn ihr den Leuten zu verstehen gebt, dass ihr Ausländer seid (das gilt übrigens auch für Deutsche). Doch wenn ihr mit einer Wiener Runde unterwegs seid, dann kann ich euch jetzt schon sagen, dass es sehr schwer ist, bei den ganzen "Schmähs" mitzukommen.

Um euch den Einstieg in die Wiener Gesellschaft etwas zu erleichtern, stelle ich euch in diesem Artikel ein paar der wichtigsten Begriffe vor, auf die ihr im alltäglichen Gebrauch stoßen werdet. Ein kleiner Tipp: wenn ihr diese Begriffe nicht nur verstehen lernt, sondern auch selbst anwendet, wenn ihr unterwegs seid, werdet ihr sehen, dass euch so einiges in Sachen Umgang mit den Menschen leichter fallen wird.

1. Begrüßungen

In Wien benutzt man als allgemeine Begrüßungsformel den Ausdruck "Grüß Gott". Ich weiß, das hört sich im ersten Moment seltsam an, aber es hat überhaupt nichts mit Religion oder Glauben zu tun (zumindest nicht mehr). Vor allem, wenn man Leute mit "Sie" anredet oder sich nicht an eine Person im Genauen richtet, benutzt man diese Formel. Wenn man zum Beispiel ein Restaurant oder ein Geschäft betritt, dann sagt man höflicherweise "Grüß Gott" und nicht etwa "Guten Tag". Natürlich versteht das auch jeder, aber es ist unter Wienern nicht üblich.

Zu Leuten, mit denen ihr per Du seid, könnt ihr ganz normal "Hallo" sagen. Wenn es sich um Freunde oder um eine sehr lockere Runde handelt kann man auch "Servas" (wienerische Form von "Servus"), "Seas" oder "Griaß di" sagen, muss aber nicht sein. Wie gesagt, "Hallo" wird in Wien ganz normal benutzt.

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"Hallo mein schöner Bub! "

2. Verabschiedungen

Klar, "Auf Wiedersehen" versteht jeder, doch klingt es irgendwie sehr steif und verklemmt. Und wenn Wiener eines nicht sind, dann ist es verklemmt! Außerdem benutzen wir eher das Verb "schauen", als "sehen" und kürzen die ganze Formel gerne ab. Aus einem sehr förmlichen "Auf Wiedersehen" wird also eine ebenso höfliches, aber etwas lockereres "Wiederschaun". In einem informelleren Kontext sagen wir fast immer "Baba" (hat die gleiche Bedeutung wie "Tschüss", wobei dieses Wort von Wienern nur ungern gehört wird) oder auch "Servas", "Pfiati" oder ein einfacher "Ciao" (oft auch als "Tschau" geschrieben).

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Den Ausdruck "Baba und foi net" kann man benutzen, um eine Diskussion abrupt zu beenden oder um jemandem mittzuteilen, dass man nicht mehr mit ihm reden möchte (Quelle)

Besonders die Verabschiedung "Baba" lieben wir. Wahrscheinlich kommt der Begriff ursprünglich von dem Wort "Papa", sprich Vater und wurde auf die typische wienerische weiche Aussprache angepasst. Da der Vater das Familienoberhaupt ist, war es früher Gebrauch auch den Papa immer zu grüßen, wenn dieser nicht anwesend war. So blieb also irgendwann nur mehr "Baba! " übrig. Vor allem beim Telefonieren benutzt man Baba gerne und wiederholt es am Ende des Gespräches auch mehrere Male.

3. Leiwand

Ihr werdet keinen Wiener Ausdruck so oft hören, wie das Wort "leiwand". Es handelt sich um ein Adjektiv, welches mit dem Wort "cool" übersetzt werden könnte. Doch es ist viel komplexer als das, es beschreibt einen seelischen Zustand oder ein Gefühl in einer besonderen Situation. Wenn man beispielsweise einen Film als cool bezeichnet, dann fand man diesen gut, in Ordnung. Aber wenn man ihn als leiwand bezeichnet, dann war er nicht nur gut, sondern außergewöhnlich. Nicht alles und jeder verdient es als leiwand bezeichnet zu werden.

Wiener finden andere Leute leiwand, die lustig sind und immer einen Schmäh parat haben. Bei einem Menschen steckt also auch noch die Komponente des Humors in dem Wort "leiwand" (welche für Wiener besonders wichtig ist).

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"Sei einmal leiwand" ist eine auf Wiedersprüche folgende Aufforderung, etwas entspannter zu sein oder bei einem Spaß mitzumachen (Quelle)

Sollte euch die Beschreibung "leiwand" nicht reichen, dann könnt ihr auch "ur leiwand" sagen, das "ur" ist eine Art Steigerungsform, welche den Grad des Leiwandseins noch zusätzlich unterstreicht.

Das Gegenteil von "leiwand" ist "zach", doch es bedeutet nicht unbedingt "uncool", sondern wird eher benutzt, um seine Reaktion auf eine unglückliche Situation auszudrücken. Zum Beispiel: "Ich kann heute Abend leider nicht kommen, weil ich arbeiten muss. " - "Zach. " Man könnte es mit "schade" oder "blöd" vergleichen.

4. Oida

"Oida" ist der österreichische Ausdruck für "Alter" im Deutschen. Man kann es sowohl benutzen, um andere Personen anzusprechen, als auch einfaches Füllwort. Doch Vorsicht, wenn man zu jemand anderem Oida sagt, ist das nicht gerade höflich, im Gegenteil, es ist eher aggressiv und könnte das Gegenüber provozieren.

Auch als Füllwort kann es zwar manchmal angenehm sein, doch entspricht nicht gerade der feinen englischen Art. Sagen wir es so, jemand aus der eher noblen Wiener Gesellschaft würde den Ausdruck "Oida" nie benutzen. Nur im Slang und vor allem unter Jugendlichen ist die Nutzung verbreitet.

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Wie ihr seid, hat der Ausdruck "Oida" unglaublich viele Facetten (Quelle)

5. Watschen

Solltet ihr in Wien mal unangenehm auffallen, dann kann es schon dazu kommen das euch jemand "Wüst a Watschen?! " entgegenschreit. Das ist eine rhetorische Frage und bedeutet so viel wie "Willst du eine Ohrfeige?! ". Das Wiener Volk kann manchmal sehr aufbrausend sein, ich entschuldige mich schon im Vorhinein dafür. Pardon!

Genauso wisst ihr ab jetzt, dass wenn jemand zu euch sagt: "Du rüttelst am Watschenbaum", solltet ihr lieber in Rückzug gehen, denn es gilt als Vorwarnung, dass ihr das Fass bald zum Überlaufen bringt.

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Quelle

Eine andere Nutzung des Wortes ist in dem Begriff "Luftwatschen". Nein, das ist keine pantomimische Ohrfeige. Es handelt sich bei diesem Begriff um den Effekt, wenn man betrunken eine Bar verlässt und zum ersten Mal wieder an die frische Luft kommt. Dieser Effekt verstärkt den Zustand des Betrunkenen oft und deshalb hat er eine "Luftwatschen" bekommen.

Ok meine Lieben, das war's mit unserer ersten Lektion. Bald folgt mehr!


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Kommentare (1 Kommentare)

  • flag-xx Sam Binder vor 5 Jahren

    Als Ergänzung von jemandem, der 17 Jahre in Österreich aufgewachsen ist:
    Leiwand ("laewaound") wird auch gesagt, wenn etwas sehr praktisch ist oder gut funktioniert.
    Zum Wort "zach" (von "zäh") könnte man noch hinzufügen, dass etwas - wie ein zähes Schnitzel, welches zu kauen - recht nervig ist. Also, die zeitliche und die nervtötende Komponente sind dabei zwei wesentliche Faktoren.

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