Sevilla en Semana Santa

Veröffentlicht von flag-xx Max Mustermann — vor 5 Jahren

Blog: ... und ich wollte nach Irland!
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Ich hab ja schon relativ früh erkannt, dass Sevilla und auch seine Einwohner, vlt Andalusier generell etwas anders drauf sind als der Rest Spaniens. Das hat man sonst zwischendurch an Kleidungsstil, Essgewohnheiten oder Verhalten gegenüber Leuten von außerhalb erkannt. Aber wer diese Leute wirklich sind, erkennt man erst, wenn man einmal die Semana Santa, die Osterwoche, in Sevilla miterlebt hat. Eigentlich kann man alles, was man bis dahin über die Eigenheiten der Sevillanos zu wissen geglaubt hat, getrost über den Haufen werfen, wenn man diese Semana Santa in Sevilla verbracht hat. Dieses ganze Unterfangen ist zunächst ein sehr polarisierendes Ereignis, dh, liebe es oder hasse es, ignorieren kann man es jedenfalls nicht, es sei denn, man hat kein Problem damit, sich 8 Tage in seine Wohnung einzusperren, ohne soziales Leben, ohne Sonnenlicht und 24/7 mit Ohropax in seinem Bett zu liegen. Die Semana Santa nimmt Sevilla buchstäblich ein. Sie macht keine Pause und sie lässt auch keinen Fleck im Stadtzentrum in Ruhe. Also was genau darf man sich nun denn unter dieser "heiligen Woche" vorstellen? Ich hatte vor einiger ZEit bereits einmal erwähnt, dass es in dieser Stadt nur so von Kirchen wimmelt... 128 an der Zahl, wenn ich mich nicht irre. Nun, 60 dieser Kirchen, sprich knapp die Hälfte ist Zentrum und Treffpunkt kirchlicher Bruderschaften, bestehend aus Kirchenmitgliedern groß und klein, jung und alt. Jene Bruderschaften organisieren und veranstalten während der Semana Santa eine Prozession, bei der die Schmuckstücke ihrer Kirche bzw. Kapelle durch Manneskraft von besagter Kirche zur großen Kathedrale und zurück getragen werden. Jede dieser Prozessionen dauert mehrere Stunden, die größte sogar 13 und ist ein rechtes Spektakel, sowohl für Zuschauer, als auch für Protagonisten der Prozession selbst. Genau gesagt besteht eine Prozession aus kostümierten Menschen, den Nazarenos (deren Kostüme recht gruselig anmuten mögen) und den Costaleros, die die Schmuckstücke ihrer Kirche tragen. Diese Schmuckstücke (während der Prozession auch Pasos genannt) bestehen in jedem Fall aus eines Statue des gekreuzigten Christus und der hölzernen Verkörperung der heiligen Jungfrau (Virgen).

Diese Pasos werden neben den Nazarenos (die offensichtlichen Parallelen der Kostüme zu denen des KKK werd ich mir an dieser Stelle mal verkneifen, weil es die Sevillanos doch relativ mega beleidigt) auch von einer Marschkapelle begleitet, die dem ganzen mit ihrer dramatisch religiösen Marschmusik nochmal gut Dramatik verleiht. Das ganze läuft maximal mit normaler Schrittgeschwindigkeit und regelmäßigen Pausen ab, da diese Statuen unvorstellbar schwer sein müssen (sie werden daher meist von 20-25 stämmigen Costaleros gestemmt und getragen). Sobalt eine dieser Statuen auftaucht, sind die Sevillanos ganz aus dem Häuschen und schaaren sich um die Prozession. Das ganze Spektakel an sich ist ein wahnsinniger Tourismusmagnet und so kommt es, dass sich während der Semana Santa jeden Tag 800. 000 Menschen (mehr als die gesammte Bevölkerung Sevillas) im Stadtkern tummeln. Wagt man sich mal ins Zentrum, darf man schon mal damit rechnen, dass man 20 min nich vom Fleck kommt, das ganze Szenario erinnerte mich dann doch eher an einen Nachmittag im vorderen Wellenbrecher, kurz bevor Metallica die Bühne betritt. Ein Spaziergang ist daher für Menschen mit Klaustrophopie eher weniger empfehlenswert. Der akute Platzmangel ist vor allem auch der Tatsache geschuldet, dass weite Teile der Straßen im Stadtkern für normale Touris und andere Besucher nur beschränkt begehbar sind... große Teile werden als Tribünen genutzt, für deren Nutzung ein Stuhl kostenpflichtig und zwar nicht gerade billig gemietet werden muss. Bleiben im Ergebnis noch knapp 3, 4 Meter für die Massen, um von A nach B zu kommen, da wird der Personenverkehr schon mal zähfließend.

Den Höhepunkt erlebt die Semana Santa in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, der sogenannten Madrugá. Gegen 00:30 Uhr beginnt die Prozession der Macarena, einer großen Kirche im nördlichen Zentrum. Sie besteht aus etwa 3000 Nazarenos, 3 Pasos und zigtausend Zuschauern, die bei Erscheinen der Jungfrau regelrecht ausflippen, sich um sie drängen, berühren wollen, singen, sogar weinen und beim Vorbeilaufen "guapa, guapa" (Schönheit, Schönheit) ausrufen. Man könnte jetzt sagen: Ok, die nehmen das deutlich zu ernst. Tun sie auch. Bringt aber eine gewisse Gänsehaut-Stimmung, weil das ganze ein bisschen surreal erscheint (Mit Fernseh-Liveübertragung mitten in der Nacht, Unmengen an Menschen, die ganz offensichtlich iwo einen Schuss haben und den dann doch sehr beeindruckend großen und unfassbar teuer geschmückten Pasos). Die Prozession der Macarena dauert geschlagene 13 Stunden und endet erst um 13:30(! ) des Folgetages mit der Rückkehr in die Kirche. Die Tortur, sich das ganze 13 Stundenlang zu geben, hab ich mir jetzt mal nicht gegönnt, hält man nämlich auch nur nüchtern durch, was die wenigsten der Leute waren. Im Endergebnis ist das ganze nämlich eine riesige, religiös angehauchte Party, bei der auch reichlich Alkohol fließt. Ähnlich lange dauert auch eine andere Prozession in der Nacht, die aber startet in Triana und passiert ua die Puente de Triana, bei Nacht auch ein rechtes Spektakel, bei dem man egtl Angst um die Brücke haben muss...

Lustigerweise waren die wenigsten meiner Freunde in Sevilla, um sich die Semana Santa anzuschauen, sondern sind größtenteils weg, egal wohin, hauptsache weg aus Sevilla. Ich bin froh, geblieben zu sein, ist nämlich ne Woche, die ich nicht so schnell vergessen werde, auf der anderen Seite kann man aber auch froh sein, dass sie jetzt vorbei ist, war ja auch sehr anstrengend und kräfteraubend.

Ja und jetzt, da die Semana Santa vorbei ist, sprechen alle auf einmal nur noch von der Feria de Abril. Scheint ebenfalls ein relatives Besäufnis zu sein, nur diesmal ohne Christusstatuen und Weihrauch. Ist vlt auch besser so.


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