Botellón in Madrid - Spaniens Trinkkultur
Jeder, der mal Spanisch in der Schule hatte, ist in voller Kenntnis des Begriffes botellón. Es eine Tradition zu nennen, könnte vielleicht etwas weit hergeholt wirken, aber wenn ihr sehen könntet, welchen Szenarien ich assistiert habe, dann würdet ihr mir ganz bestimmt zustimmen. Meine erste Konfrontation mit botellón hatte ich, als ich meinen GSCE Austauschpartner in meinem letzten Schuljahr besuchte.
Eine kleine Gruppe von uns fand sich in einer Wohnung zusammen und kreierte eine giftig aussehende neon-pinke Flüssigkeit, die schmeckte, als ob sie aus purem Zucker bestehen würde. Wir füllten eine Fünf-Liter-Wasserflasche zur Hälfte mit dieser schrecklichen Substanz voll und machten uns auf den Weg in die schwarze Nacht.
Wir kamen schließlich in einer Art Bar oder Restaurant, welches einen heruntergekommenen Eindruck machte, zur Rast. Die Wände waren grau und verstaubt und im Raum standen Bänke, die wie von ihrem ehemaligen Besitzer zurückgelassen wirkten. Um uns herum bildeten sich andere Haufen von Menschen, die das von ihnen zusammengemischte alkoholische Gebräu umzingelten. Wir saßen in unserem eigenen Kreis und begannen zu plaudern, zu trinken und ein paar Spiele zu spielen. Das ging für ein paar Stunden so weiter, bis wir entschieden, unser verbliebenes Gift stehen zu lassen und uns auf die Suche nach etwas Erfrischenderem in der Bar zu machen.
Ich muss gestehen, dass ich nicht wirklich verstand, weshalb so ein großer Aufstand um die Bar gemacht wurde! Das Gebäude war kalt und ehrlich gesagt auch beängstigend. Sehnlichst wünschte ich mir, in England zu sein, wo man gemütlich in jemandes Haus um einen Tisch versammelt vortrinkt. Es erinnerte mich an ein Erlebnis, das mir mit 14 Jahren widerfuhr, als ich vor Sainsbury's stundenlang in der Kälte wartete und jemanden suchte, der mir Alkohol verschaffen könnte, nur damit dieser mir dann von der Polizei, oder schlimmer noch, von einem Gemeinschaftsbetreuer, konfisziert werden würde, nachdem sie mir heimlich im Park aufgelauert hatten. Ich muss also sagen, dass ich, als ich zum ersten Mal von einem meiner Erasmus-Klassenkollegen zum Botellón in Madrid eingeladen wurde, nicht unbedingt begeistert war. Aber ich habe entschieden, trotzdem vorbeizuschauen.
Ich habe mich mit Megan, einer meiner neuen Mitbewohnerinnen, getroffen und wir machten uns auf den Weg zur Plaza de España, um uns zu einer großen Menschenmenge zu gesellen. Wir waren uns nicht sicher, ob das die Gruppe war, mir der wir uns etwas ausgemacht hatten, aber wir haben uns einfach dazu gesetzt. Mit unserem billigen Wein und ein paar Bieren haben wir uns neben dem Springbrunnen eingeparkt und ich konnte das Gefühl, wieder ein minderjähriger Teenager ohne Schlupfloch zu sein, einfach nicht verdrängen. Wie auch immer, wir beharrten darauf und entschieden uns letztendlich dafür, einer großen Gruppe zu folgen, die sich gerade auf einen begrünten Hügel zubewegte. Während sich einige schon am Anfang des Hügels hinsetzten, gingen wir weiter, bis wir an der Spitze angelangt waren, und setzten uns im Kreis auf die Wiese.
Wir haben weiter getrunken und geplaudert, bis jemand eine Gitarre hervorholte. Nach kurzer Zeit vereinten sich die einzelnen Gruppen und sangen eine akustische Karaoke-Version von Wonderwall der Oasis, welches ein universell anerkannter Song zu sein scheint!
Frauen und Männer liefen mit Plastiktüten voller Bier umher und verkauften sie für 1€ an jeden, der zahlte. Zuerst verwirrte mich das etwas, doch dann verstand ich, warum mich eine Dame am Vorabend gegrüßt hatte, als ich einen Spaziergang im Park machte!
Nach einem netten Abend voller neuer sozialer Kontakte, machte ich mich auf den Heimweg wegen meiner nächtlichen Skype-Sitzung und zu meiner Überraschung (wenn man bedenkt, dass es 2 Uhr in der Früh war) fand ich hunderte von Menschen, die gerade erst am Weg in den Park waren. Ich hatte botellón vorher eher mit sehr viel jüngeren Teenagern assoziert, doch hier sah ich Leute in ihren Zwanzigern, die sich an die Menge anschlossen. Die Atmosphäre war fieberhaft.
Nostalgisch an das Besäufnis im Park in England denkend, bemerkte ich nun aber einen fundamentalen Unterschied, nämlich, dass hier niemand übermäßig betrunken war. Niemand stritt oder prügelte sich und deshalb, so schien es, ließ die Polizei die jungen Leute auch in Ruhe.
Im Großen und Ganzen glaub ich, dass botellón eine Erfahrung ist, die man als Erasmus-Student nicht verpassen darf. Es ist ein einzigartiger Teil der spanischen Kultur, unvergleichbar mit jedem anderen Land, das ich jemals besucht hatte. Ich liebe es, wenn man in England an Sommerabenden draußen sitzen kann und in Spanien ist das viel akzeptierter (und auch angenehmer! ). Während andere sich vielleicht dafür entscheiden, anschließend in Bars weiterzuziehen, kann ich mir sehr gut vorstellen, im Sommer den ganzen Abend draußen zu verbringen.
Fotogalerie
Inhalt in anderen Sprachen verfügbar
- English: Botellón in Madrid - Spain's drinking culture
- Italiano: Botellón a Madrid - La cultura spagnola del bere
- Polski: Botellón w Madrycie - Hiszpańska kultura picia
- Français: Botellón à Madrid: l'Espagne et sa façon de boire
- Nederlands: Botellón in Madrid: de Spaanse drinkcultuur
- Português: Botellón em Madrid - A cultura espanhola de bebidas
- Español: Botellón en Madrid - La cultura Española de la bebida
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